Leseprobe - Science Fiction Geschichten

 

111 - Die Verdammten

 

Der Geruch war unerträglich und die Fliegen konnte man kaum noch davon scheuchen. Wir waren zusammen gezwängt wie Vieh und mindestens drei von uns ehemals 96 Gefangenen waren in den letzten Tagen gestorben und verwesten zwischen uns dahin. Es gab keine Möglichkeit sie irgendwo in eine Ecke zu legen, es war einfach zu eng in dem steinernen Zellentrakt. Unsere Notdurft verrichteten wir in eine kleine Kuhle, die wir mit den Händen gegraben hatten. Man konnte sich nur hinhocken, geschweige denn hinlegen, ohne einem anderen nahe zu kommen. Ein zwei Mal in der Woche gab es so etwas wie Nahrung. Eine Deckenplatte fuhr auf und dann ergoß sich in einen stählernen Kessel, der inmitten des Raumes verankert war, ein dickflüssiger Sud, der wohl einer Suppe ähneln sollte. Er roch und schmeckte aber nicht annähernd so. Ein herber und salziger Geschmack legte sich auf die Zunge und nur der nackte Hunger würgte es runter. Die Männer stürzten sich dann darauf und jeder fasste mit seinen Händen in die Masse hinein um soviel wie möglich zu erwischen, bevor ein anderer mehr bekam. Sie wollten uns nicht verhungern lassen, gerade noch so am Leben sollten wir bleiben. Seit ungefähr drei Wochen saß ich nun in diesem Alptraum und keiner von uns wusste, ob wir endgültig für das Spiel bestimmt waren. Es konnten immer noch Komplikationen auftreten und alles abgesagt werden, dies sollte hin und wieder mal passiert sein. Unsere einzige Chance am Leben zu bleiben, war der lange Spurt durch die grausigen Abteilungen des Todesspiels. Mein direkter Nachbar namens Kruga, hatte sich so wie ich an die Mauer gelehnt und sein Kinn war auf die Brust gesunken, er sah nicht besonders gesund aus, wie wir alle. Am Vortag hatte er Hustenanfälle bekommen und dann die Suppe unmittelbar nach dem essen wieder ausgespuckt. Jetzt saß er neben mir wie tot, seine Atmung war sehr flach und die Reste von der Suppe hingen noch in seinem verfilzten Bart. Auch die anderen wurden wieder ruhiger und jeder hing seinen Gedanken nach.

Es war ein verdammtes Pech, das die Treiber mich diesmal geschnappt hatten. So viele Male war es gut gegangen und wir hatten immer gutes Material auf dem zwar schwer bewachten aber nicht undurchdringbaren Metallschrottplatz gefunden. Unsere Raumfähren und Jäger waren aus diversen Schrotteilen zusammen gesetzt und erfüllten ihren Zweck. Neuteile waren für uns unerschwinglich geworden, nachdem das neue Oberkommando der Vereinigten Planetengruppe an die Macht kam und die Preise in die Höhe trieben. Wahrscheinlich hatte das Ganze einen wohldurchdachten Zweck, dachte ich. Da ich zu einer Gruppe von freien Frachtpiloten und Söldnern gehörte, die schon zu Zeiten der Ratsregierungen der vier bewohnten Planeten im Jahre 2112, geächtet und nicht gern gesehen wurde, hatte sich die Situation in den letzten Jahren drastisch verschlechtert. Nun wurden wir öffentlich angeprangert und gejagt. Kopfprämien wurden teilweise gezahlt.
Das neue Oberkommando, unter militärischer Führung, wollte die unabhängigen Freejakker loswerden. Es war wohl Schicksal, dass die Spiele nun bald nahten und ich vielleicht dabei war.
Sie suchten immer wieder Kandidaten für die alljährlichen Spiele. Die Gefängnisse waren zwar überfüllt, aber nicht jeder war in der benötigten Verfassung um teilzunehmen. Keiner wollte gerne sterben, doch um aus den ausbruchssicheren Bunkern zu entkommen, blieb nur dieser eine Weg.
Die Mindeststrafe betrug immer 25 Jahre, doch kaum einer überstand die Zeit in dieser Hölle. Es gab natürlich Ausnahmen, doch man konnte dann nicht mehr von einem menschlichen Wesen reden, das die Gefängnistore in die Freiheit passierte – falls es überhaupt noch auf zwei Beinen laufen konnte. Man hatte wenigstens eine kleine Chance, die ganze Sache zu überleben, wenn man sich für die gefährlichen Spiele meldete.
Mein Plan stand fest. Es gab keine andere Alternative für mich.
Lieber draufgehen als in den Katakomben langsam zu verfaulen.
Und dieses ganze Dilemmer nur, weil ich einen neuen Konvexer für den Antrieb meiner alten Betsy brauchte. Na gut, zugegeben, ich wollte auch noch etwas von den Durgonkristallen mitgehen lassen.
Schließlich flog meine Kiste auch nicht ohne Treibstoff. Nur eine Minute später und ich wäre weg gewesen. Doch sie hatten ein neues Sensoralarmsystem installiert, welches die Entnahme eines Tragecontainers unmöglich machte. Als ich den Alarm bemerkte, war es schon zu spät und sie hatten mich umzingelt. Die meisten meiner anderen Freunde konnten entkommen, aber ich hatte mich zu weit vorgewagt. Peevie wurde auch geschnappt, kurz bevor er den Beamersammelpunkt erreichte. Ob er mir das wohl übel nahm? Bestimmt. Hätte ich auch getan.
Wir beide hatten schon eine Menge zusammen durch gestanden und normalerweise baute er die Scheisse und ich musste ihn dann wieder rauspauken, doch diesmal konnte keiner von uns dem anderen helfen.
Ich hatte ihn seit dem Vorfall nicht wieder gesehen. Wer konnte schon sagen, wie groß der Gefängnistrakt der Bunkerebene wirklich war. Noch keiner der hier einsaß, kam entweder lebend raus, oder falls er das Glück hatte, bei den Spielen durch zu kommen, wäre freiwillig wieder in das Planetensystem zurück gekehrt. So die Erzählungen, aber niemand wußte es ganz genau. Dem Sieger winkte nicht nur die Freiheit, auch ein Koffer mit 100 Krediteinheiten wurde ihm übergeben und ein Lunaticket zu den äußeren Eisringen des Phobus gehörte dazu. Jedes Jahr flog ein Transportraumer im Auftrag der Regierung zu dem Ringsystem und brachte Nachschub an Lebensmitteln, Werkzeug, Techniker und Energieeinheiten zu den Kolonien im Phobussektor. Und einmal im Jahr wurden die Spiele durchgeführt. Von einhundertundelf Teilnehmern kam nur einer durch, das war bekannt. Und dieser eine kriegte die Chance noch einmal von vorn anzufangen. Keine Repressalien mehr und völlige Immunität bis zu seinem Tod wurden zugesagt. Vorausgesetzt, er hielt sich an die Föderationsgesetzte und kam nicht mehr auf die drei bewohnten Planeten in der Milchstraße zurück. Meine einzige Überlebenschance bestand darin, ausgewählt zu werden. Wann die sogenannten Scouts, die eine strenge Auswahl treffen mussten, kamen, wusste niemand. Von Zeit zu Zeit streiften sie durch die Zellentrakte und wählten einige Kandidaten für die Spiele aus. Ich hoffte, diesmal dazu zu gehören.
Die einzige Abwechslung in den nächsten Tagen war die Tierfütterung aus der Deckenluke und das weitere Sterben von Mithäftlingen. Ich fragte mich, wie ich einigermaßen in Form bleiben sollte, unter diesen miesen Bedingungen, die dort herrschten. Denn nachdem was ich hörte, wurden nur Kandidaten mit einigermaßen guter Konstitution ausgewählt. Also hoffte ich, das es nicht mehr lange dauern würde, bis sie kamen und ich wurde nicht enttäuscht. Nach sechs weiteren Tagen hörten wir plötzlich Ketten rasseln und die schweren Stahltore im Vorraum, vor unserem Verlies öffneten sich langsam und laut quietschend. Diese Abweichung der sonstigen Monotonie ließ alle aufhorchen und neugierig in Richtung Eingang blicken.
Es waren drei Personen die herein kamen. Sie trugen saubere Kleidung, wie verführerisch, dachte ich, wenn man so lange wie ich, in den selben stinkigen Sachen steckte, und jeder von ihnen hatte eine Sauerstoffmaske aufgesetzt. Diese mobilen, kleinen Dinger, für so manche Gelegenheit von Vorteil. Wahrscheinlich wären sie auch in Ohnmacht gefallen, wenn sie unsere Luft hätten atmen müssen. Es waren zwei Männer und eine Frau. Zwar trugen sie dunkelblaue Kombis aber ich hatte schon solange keine Frau mehr gesehen, daß mich der Anblick ziemlich nervös machte.
Nebeneinander stellten sie sich auf und der eine Mann hob ein Megaphon vor den Mund und brüllte drauf los.
„Verdammte Scheißmaden, aufstehen, los aufstehen sage ich. Stellt Euch auf eure Beine, aber schnell. Wir suchen Spielerkandidaten und nur wer aufrecht steht, kommt in Frage.“
Wir gehorchten und standen wie die Sardinen in der Dose nebeneinander gepfercht und starrten sie an.
„He Du da, los steh auf oder ich werde Dir in den Arsch schießen.“
Ein Mann vor mir sagte: “Der ist tot, Mann!“
Scheinbar wurde das nicht gehört, deshalb wiederholte der Megaphonman seinen Spruch. Diesmal aber noch einen Tick lauter.
„Der ist tot, Du Arschloch, der kann nicht mehr aufstehen!“
Einen Moment war Ruhe, dann bekamen wir die Antwort darauf.
„Wer hat das gesagt? Wer nennt mich Arschloch, hä?“
Mein Nebenmann fing an zu kichern.
„Halts Maul“, sagte ich zu ihm.
Die Frau beugte sich zu dem Megaphonman und flüsterte ihm etwas ins Ohr.
Es ging weiter.
„Wer will sich für die Spiele freiwillig melden? Ist irgend jemand unter Euch, der sich das zutraut?“
Eine Menge Arme schnellten in die Höhe und meine gehörten auch dazu.
„Sieh mal an, Ihr wollt alle teilnehmen? Wir haben aber schon fast alle zusammen und brauchen höchstens noch 40 von Euch aus dieser Ebene. Nur die Besten und Gesündesten nehmen wir. Alle Alten setzten sich wieder hin.“
Ein Geschiebe und Gedränge setzte ein, dann war wieder Ruhe unter uns.
„Na, Ihr seid immer noch zu viele. Alle, die über 35 Jahre alt sind, setzten sich auch hin.“
Gottseidank war ich erst 32 Jahre alt und gehörte somit zu den restlichen 48 Männern, die noch in der Mitte standen. Wieder flüsterte die Frau, diesmal aber mit dem zweiten Mann, der bis zu diesem Zeitpunkt noch nichts von sich gegeben hatte. Jetzt sprach auch er.
Zuerst kaum zu verstehen, dann griff er nach dem Megaphon und seine Worte waren kurz und eindeutig.
„Jeder von Euch, der noch steht, und eine Krankheit irgend einer Art hat, setzt sich auch hin. Wir kriegen das früher oder später heraus, also versucht nicht uns rein zu legen. Sonst sterbt Ihr noch am selben Tag.“
Wieder lichteten sich die Reihen ein wenig und übrig blieben 45 Männer.
Einer aus unseren Reihen sprang plötzlich nach vorn gegen die Gitterstäbe und streckte seine Arme aus als wenn er jemanden greifen wollte.
Mit den Worten: “Ich bin unschuldig, bitte helfen Sie mir hier raus. Ich habe doch nichts getan“ - wurde er nach hinten gerissen als die Kugel seinen Kopf zerschmetterte und das Blut auf uns spritzte.
Ein zweiter sprang auf und schrie sie an.
„Mörder, verdammte Mörder, wie könnt Ihr es wagen uns wie Tiere zu behandeln? Ihr dreckigen Schweine habt meinen Freund getötet. Ich werde Euch...“.
Der zweite Mann zog seinen Blaster aus dem Holster und schoß in seine Brust. Er fiel ohne weitere Worte zu Boden. Nun war Stille unter uns und keiner muckte mehr auf.
„Noch jemand, der sich beschweren möchte?“, fragte der erste Mann, der sich wieder das Megaphon geschnappt hatte.
„Dachte ich mir. Wir werden jetzt die Tür öffnen und die noch stehen, werden einzeln, jeder nach dem anderen hindurch gehen und draußen auf dem Gang in Empfang genommen. Falls jemand auf dumme Gedanken kommen sollte oder versucht zu fliehen, knallen wir Euch alle wie tollwütige Hunde ab. Das ist kein Problem. Hier gibt es noch mehr Zellen, mit solchem Abschaum wie Euch.“
Die sitzenden zogen sich vom Eingang zurück und machten uns den Weg frei, mit ängstlichen Augen befürchteten sie das schlimmste.
Die Tür wurde geöffnet und irgend einer von uns ging als erster hindurch.
Außer mir schien sich keiner meiner Mitgefangenen Sorgen über unsere immer noch zu große Zahl zu machen, deshalb drängelte ich mich vor um auch wirklich zu den 40 benötigten Männern zu gehören. Als ich durch die Tür schlurfte, rief die Frau plötzlich: “Halt, der nicht. Der ist zu gierig, außerdem gefallen mir seine Augen nicht.“
Am liebsten hätte ich dieses kleine Miststück erwürgt, ganz langsam.
Der zweite Mann stupste sie an.
„Ist aber in einer scheinbar guten körperlichen Verfassung. So gut sehen nicht alle von unseren Spielkameraden aus, Lienna.“
Sie sah mich einen Moment mit ihren vernichtenden Blicken an und als ich meinen Kopf senkte und nach unten schaute, nickte sie dann doch.
„Du hast Recht. Wir können ihn ja als Reserve nehmen, falls einer der anderen vorzeitig ausfällt, die genaue Zahl muß eingehalten werden.“
Kurz bevor ich den stinkigen Trakt verließ, schaute ich noch kurz zurück um nach Kruga zu sehen, doch ich konnte ihn nicht zwischen den anderen entdecken. Ich hörte noch wie jemand sagte:
„Es ist genug, mehr brauchen wir nicht, die anderen wieder zurück.“

Draußen auf dem Gang genoss ich die kühlere und saubere Luft, die mir gut tat. Es standen vier bewaffnete Soldaten in dem schmalen Gang, die uns nachdem wir heraus getreten waren, sofort in Empfang nahmen und in eine Richtung schoben. Hinter mir hörte ich, wie die Ketten wieder klirrten und die Türen sich schlossen. Ich dachte kurz an die anderen armen Schweine, freute mich aber innerlich, dem entkommen zu sein. Es blieb keine Zeit lange darüber nach zu denken, denn nachdem wir durch einen langen Korridor geschleust wurden, kamen wir in eine große kreisförmige Halle, wo wir uns mittig sammeln mussten. Dort standen schon andere Gefangene, ich zählte fast 20 Mann, die verängstigt zu uns sahen, als wir aufschlossen.
Ich sah nach unten und bemerkte, rautenförmige, stählerne Planken auf denen wir standen. Die Wachen zogen sich bis an den Rand der schwarzen Sonne, wie ich sie empfand, zurück und hielten ihre Waffen im Anschlag. Dies war wahrscheinlich früher mal ein Versammlungsplatz für Senatoren oder Ratsmitglieder, aber nun war er umfunktioniert worden. Die ehemals steinernen Bänke standen teilweise schon verfallen um uns herum und bildeten den Rand der Sonne.
Wir standen stinkend und frierend dort zusammen und wussten nicht, was nun passieren würde. Die Ungewissheit dauerte aber nicht lange, denn ein lautes Geräusch lies uns zusammen zucken. Die einzelnen Rautenstücke unter unseren Füßen fingen an sich zu bewegen und fuhren zurück. Das größer werdende Loch in der Mitte war wie ein schwarzer Schlund in die Hölle. Einige von uns rannten an den Rand um so lange wie möglich, auf den in die seitlichen Öffnungen zurück fahrenden Eisenplanken stehen zu können. Doch die Wachen kamen einen Schritt heran und hielten ihre Waffen immer noch im Anschlag, als wenn sie jeden Moment schießen wollten. Die ersten von uns stürzten schreiend in die Tiefe und auch die einzelnen, die sich bis an den Rand gerettet hatten, konnten dem zuletzt nicht mehr entgehen. Auch sie fielen in die ungewisse Schwärze.
Meine Gedanken kreisten um meinen nun schnell kommenden Tod und dann verspürte ich Schmerzen. Als ich eintauchte, fiel ich auf jemanden drauf und mein linker Arm war taub.
Es dauerte einen Moment bis mir klar wurde, was passiert war. Nur durch Zufall hatte ich die Luft angehalten und strampelte drauf los.
Im schummerigen Licht konnte ich kaum etwas erkennen, geschweige denn, wo oben oder unten war. Doch irgendwie kam ich nach oben und konnte wieder atmen. Sie hatten uns in eine gigantische Zisterne geworfen ohne uns zu warnen. Ein Punkt mehr auf meiner Racheliste.
Ich schaute nach oben und sah noch, wie die Stahlteile wieder zusammen fuhren um sich dann endgültig mit dem verschwinden von Restlicht zu schließen. Obwohl das Wasser eiskalt war und ich schon meine Beine nicht mehr voll fühlen konnte, war diese Erfrischung nach der langen Zeit im Dreck, ein wunderbares Gefühl. Ich genoss den Augenblick bis zu dem Moment als wieder eine laute Stimme ertönte.
„Raus mit Euch, aber zackig, ihr sollt Euch nur von dem groben Dreck befreien und kein Schaumbad nehmen!“
Ein dreckiges Lachen, von einer anderen Person hallte von den dicken, steinernen Wänden umher, sodass man nicht sagen konnte, wo der Ursprung war.
„Schaumbad, Reggie, das war gut.“
„Halts Maul und pass auf, dass keiner von diesen Kerlen absäuft.“
Ich schwamm und auf einmal spürte ich steinerne Stufen unter meinen Füßen. So kamen wir alle aus dem Wasser um den im Halbdunkel stehenden Gestalten zu folgen, die mit Elektrofackeln den Weg wiesen.
Endlich wurde es etwas heller und wir mussten wieder einzeln durch einen schmalen Torbogen gehen, der in diverse Gänge mündete.
Dann traten wir in einen scheinbar ehemaligen Saunabereich aus alten Zeiten und ich bemerkte die verblaßte Schönheit, die früher schönen Frauen und starken Männern als Zeitvertreib und Körperhygiene von Nutzen war und nun stark verfallen uns blind anlächelte. Die Mosaiken waren schon  farblos geworden und bröckelten vor sich hin. Die ehemals bläuliche Farbe war kaum noch zu erkennen. Zahllose Rundbögen durchzogen die hohe Decke, aus der vereinzelt Wasser tropfte.
Die Länge des Raumes mit seinen endlosen steinernen Wassernymphen betrug ungefähr 15 Meter und die Breite fast vier Meter.
Aber aus mindestens 20 künstlichen, teils schon eingerissenen Tiermündern, floß eiskaltes und klares Wasser. Etwas darüber waren auf noch ziemlich gut erhaltenen schmalen Bänken, Seifen und Waschbürsten aufgereiht.
Der größte und häßlichste der fünf Aufseher brüllte uns als erster aber nicht als letzter an.
„Ich bin der Oberaufseher, Ihr werdet mich aber nie direkt ansprechen. Ihr habt eine Stunde Zeit um aus Euch wieder einen sauberen Gefangenen zu machen. Dort liegen Seifen, Handtücher hängen dort in der Ecke. Für jeden ist genug zum reinigen vorhanden, neue Kleider auch. Ich will keine Eskalation unter Euch. Wenn Ihr Streß macht, werdet Ihr ausgetauscht, wir haben genug Ersatzspieler, also verhaltet Euch ruhig und Ihr überlebt vielleicht einen weiteren Tag Eures elendigen Daseins. Ich werde jetzt die Türen verschließen und mit meinen Leuten draußen stehen. Macht Euch keine Illusionen, Ihr könnt nicht fliehen. Wenn ich wieder komme und einer von Euch hat nur eine dreckige Stelle auf seinem Kadaver, lege ich ihn um.
Beeilt Euch, bei dem Dreck habt Ihr nicht viel Zeit.“
Mit diesen Worten drehte er sich um und verließ mit den anderen den Badetempel und verschloß die Tür.
Wir machten uns an die Arbeit und ich genoß das klare Wasser, den Seifengeruch und seit langem fühlte ich mich wieder als Mensch, wenn auch nicht ganz freier, zugegeben. Vielleicht würde sich beizeiten doch noch eine Gelegenheit zur Flucht bieten. Wer wußte das schon?

Sechs Meteretagen über den Waschhallen trafen sich mehrere Männer um die letzten organisatorischen Dinge zu bereden.
Ein älterer, weißhaariger Mann, mit tiefen Gesichtsfalten und einem grimmigen Blick saß an einem großen, eckigen hölzernen Tisch an der Stirnseite. Die beiden anderen traten gerade ein und grüßten den sitzenden zackig und mit Respekt. Ein Mann im grauen Livree, hatte die beiden herein gelassen und zog sich nun zurück.
„General Mustos, es ist mir wie immer eine Ehre mit Ihnen die Vorbereitungen für die Spiele treffen zu dürfen.“
Der ziemlich eitle Major, der dies sagte, stellte seinen Kameraden als Leutnant Moos vor, der noch ziemlich jung und unerfahren war.
„Major Rand, lassen wir doch die Höflichkeitsfloskeln. Setzten Sie sich beide zu mir, wir müssen noch sehr viel bereden, bevor die Spiele beginnen.
Die Zeit ist mal wieder knapp bemessen und ich hoffe, Sie haben sich gut vorbereitet?“
„Selbstverständlich, und lassen...“
Der General unterbrach ihn barsch.
„Haben Sie dieses Mal für genug Ersatzleute gesorgt? Nicht das wir, wie das letzte Mal in Bredouille geraten, weil einige schon am ersten Tor scheitern und nicht genug Ersatz nachkommt.“
Diesmal lies Major Rand einen Moment verstreichen, bis er sicher war, ausreden zu können.
„Die Scouts haben gute Arbeit geleistet, wenn ich das mal so sagen darf.
Die Kandidaten sind nicht nur reichlich vorhanden, sonder auch in einem sehr guten physischen Zustand. Es kann nichts schief gehen!“
Voller Stolz sah er dem General in die Augen und erwartete eine Belobigung für die gute Arbeit, doch General Mustos schnaufte nur kurz und stand dann auf. Die Etikette verlangte dies nun auch von den rangniederen Offizieren und sie stießen beim aufstehen ihre Stühle ruckartig nach hinten mit einem lauten Geräusch.
„Nichts schief gehen, Major. Was wissen Sie denn davon, was alles schief gehen könnte? Sie haben noch nicht so viele Spiele wie ich hinter mir.“
Er ging im Raum auf und ab.
„Was meinen Sie, was ich nicht schon alles erlebt habe dabei. Kandidaten, die reihenweise umgekippt sind vor Angst, die vor lauter Panik die Tribünen gestürmt haben und sogar einmal einen der großen Bantusaurier fast getötet haben, nur mit ihren Lanzen. Das war eine Tragödie, bei den Göttern, so etwas möchte ich nicht noch einmal erleben. Das hat mich einen höheren Rang und auch fast mein Leben gekostet. Also kommen Sie mir nicht mit - es kann nichts schief gehen!“
Der Major senkte den Blick und antwortete nicht darauf.
„Noch immer habe keine genauen Daten über den Start und den Verlauf. Ich möchte unverzüglich die benötigten Informationen auf meinem Tisch haben, sorgen Sie dafür Major.“
„Sehr wohl, Herr General.“
„Außerdem ist mir zu Ohren gekommen, dass wir diesmal einige Frauen dabei haben um die Zuschauerquote zu erhöhen, stimmt das?“
„Nun ja, es stimmt. Das Oberkommando wollte die Spiele diesmal noch interessanter machen und Frauen sind ja bekanntlich schwächer und vielleicht ergeben sich aus gefährlichen Situationen noch delikate Umstände, weil die männlichen Kandidaten ihnen zu Hilfe kommen.“
„Oder auch nicht. Aber das soll nicht mein Problem sein. Auf jeden Fall haben wir nur noch 23 Tage Zeit um alles zu organisieren und das technische Personal wie auch die Tierfänger genau zu instruieren, wie alles ablaufen soll. Wie sieht es denn mit der Energie diesmal aus? Wir wollen nicht, wie letztes Jahr einen Ausfall der Überwachungsgeräte und automatischen Tore. Das Chaos wäre fast schief gegangen, nur mit Glück und schnellem Handeln, konnte ich noch schlimmeres verhindern. Nur fünf Minuten Ausfall der Energieeinheiten und wir bekommen alle mächtig Ärger von oben. Das brauche ich wohl nicht noch besonders betonen, oder?
Diesmal dürfen die Spiele nicht ausfallen, nur weil es Versorgungsschwankungen in den Energierelais gibt. Das Oberkommando duldet keine Fehler mehr und ich möchte Komplikationen irgendwelcher Art nicht als Grund für einen Abbruch anführen müssen.“
Der General setzte sich wieder und deutete den beiden sich auch zu setzen.
Etwas unruhig rutschte der Major auf seinem Stuhl und sein fast kahler Kopf fing an sich zu röten. Sichtlich unwohl antwortete er schnell.
„Wir haben alles doppelt und dreifach gesichert. Ein Ausfall der Einheiten ist unmöglich. Sollte dieses doch eintreten, habe ich verfügt, doppeltes Sicherheitspersonal bereit zu stellen. Außerdem sind auf jeder Ebene nun Laserblaster mit einer eigenen Energieversorgung angebracht, die jeden Aufruhr und nicht geplante Abläufe mit einem Schuss beenden werden.“
„Nun gut, das hört sich schon ganz gut an, ob es reichen wird, werden wir erst sehen, wenn es soweit ist. Das wäre erstmal alles soweit, wenn mir noch etwas einfällt werde ich Sie hinzuziehen.
Danke, meine Herren!“
Die beiden Offiziere standen auf, verbeugten sich kurz und verließen dann den Raum. Der General saß noch eine Weile gedankenverloren in seinem gepolsterten Stuhl und faltete die Hände, wie zu einem Gebet.
„Wir werden sehen,“ murmelte er leise vor sich hin.

Die Vorbereitungen liefen auf Hochtouren und sämtliches Spielerpersonal verrichtete gleich mehrere Aufgaben. Wenn jemand mit einer Arbeit fertig war, wurde er sofort woanders eingesetzt um keinen Leerlauf zu haben.
Rund um die Uhr wurde gearbeitet und jeder wusste, worum es ging.
Es gab Sonderprämien und Belobigungen, sogar Beförderungen standen an, aber auch nur wenn alles ohne Probleme ablaufen würde. An den anderen Fall wollte niemand denken, denn falls, wie schon vor einem Jahr passiert, der Ablauf der von dem Oberkommando als primäre Aktion eingestuft, durch irgendeinen Vorfall gestört oder total schief ginge, würde man unten angefangen bis ganz nach oben Konsequenzen ziehen. Und diese wären, gelinde gesagt unangenehm für alle Beteiligten.
Jeder wusste, was zu tun war und alle gaben ihr Bestes für die Sache.
Die 12.000 geladenen Gäste aus den besten Schichten sowie die über Intercom zugeschalteten Zuschauer sollten eine perfekte Show genießen.
Außer den technischen Spielereien gab es künstliche aber lebensechte, naturgetreue Nachbildungen von Sauriern, Tigern, auch echte Schlangen und alles andere Getier, was Furcht einflößte oder von Natur aus aggressiv war. Die Arten, die nicht mehr in echt aufzutreiben waren, wurden durch gute und teure Nachbildungen ersetzt. Viele der Kandidaten hatten die größte Angst vor den Wasserstraßen und den überfluteten Gewölben. Man wusste nie, was einem im Wasser erwartete. So die Gerüchte, die aber niemand wirklich bestätigen konnte. Die Ungewissheit allgemein darüber, machte die meisten der Kandidaten schon vorher krank vor Angst.
Die Gerüchte besagten auch, dass sich die Macher jedes Jahr neue Gemeinheiten ausdachten und den Schwierigkeitsgrad immer mehr erhöhten. Es war kaum zu glauben, dass überhaupt jemand noch das Ziel erreichen könnte. Aber es musste wohl so sein, den sie brauchten ja einen Sieger. Einer musste es schaffen und wäre für einen Moment in seinem Leben der König der Welt. Natürlich nur bildlich gesprochen, außerdem gab es mittlerweile schon mehr als sieben bewohnte Planeten. Trotzdem war die Erde immer noch der Mittelpunkt all dieser Welten. Wenn man auserwählt war, lebte man auf der Erde, was eigentlich auch nur den höheren Klassen vorbestimmt war. Nur die reichsten konnten sich dauerhaft ein Leben auf der Erde leisten. Die alljährlichen Spiele waren nicht nur ein gern gesehener Zeitvertreib sondern auch das Ereignis schlecht hin. Eine Art Gladiatorenkämpfe, wie in alten Zeiten auf der Erde. Je mehr Blut floss umso besser, fanden nicht nur die Veranstalter. Schon seit ein paar Jahren experimentierte man mit einem neuen Verfahren herum. Dieses war aber strengstens der Geheimhaltung unterstellt und nur wenige Personen eingeweiht. Wenn es publik gemacht worden wäre, hätte es die Abschaffung der Spiele bedeuten können. Das Projekt trug den Namen
„Morpheus“ und war schon seit einiger Zeit angelaufen, trotz der großen Risiken. General Mustos war einer der wenigen Mitwisser und zuständig für die weiteren Abläufe und ein erfolgreiches Gelingen des Projektes.
Mit der wachsenden Macht kam auch mehr Verantwortung und damit ein größeres Risiko seine Position einzubüßen, oder noch schlimmer, irgendwann dafür mit seinem Leben zu büßen. Er erhob sich und ging nachdenklich in Richtung der Unterkünfte.
Nach einer Stunde kamen sie wirklich herein und fingen gleich wieder an zu brüllen. Fast alle von uns hatten sich gereinigt und frische Kleidung angelegt, wenn man einen knielangen umgehängten Sack aus synthetischen, grauen Stoff so nennen wollte. Für den Kopf und die Arme waren Löcher darin und um die Taille band man sich eine Schnur. Doch nicht alle von uns waren fertig mit ihrer Körperhygiene.
Einer der Aufseher ging schnellen Schrittes zu den Nachzüglern und zog ihnen mit seiner Peitsche ein paar Schläge über den Rücken. Sie schrien auf und stellten sich dann zügig in die aufgestellten Reihen von uns.
Der Mann mit der Peitsche umrundete unsere Reihen und schrie dabei:
„Von weitem könnte man Euch ja wirklich bald für normale Menschen halten, aber auch nur von weitem. He, Du da in der zweiten Reihe.
Du hast Deinen Hals und die Ohren vergessen zu waschen. Könnt Ihr Euch noch alle daran erinnern was der Oberaufseher vorhin gesagt hat?“
Niemand sagte etwas, nur ängstliche und ungläubige Blicke folgen dem Peitschenmann, als er vor uns stehen blieb.
„Ihr Abschaum wollt nicht reden, was? Auch gut, braucht Ihr auch nicht.“
Er ging zurück, zog den, seiner Meinung nach unsauberen Burschen aus unserer Mitte und schubste ihn auf den Boden, dieser strauchelte und schlug sich fast den Kopf an den steinernen Fliesen auf. Er sagte nichts, seine Augen flehten aber um Gnade.
Der Aufseher namens Reggie nickte zwei anderen von seinen Kumpanen zu und dann trieben sie den immer noch ungläubig blickenden Kerl mit ihren Peitschen in eine Ecke. Gleichzeitig traten die anderen beiden, darunter der Oberaufseher an uns heran und stellten sich zwischen dem Spektakel auf.
„Denkt immer daran,“ sagte der Oberaufseher.
„Wenn jemand unseren Befehlen nicht gehorcht, wird er bestraft.
Und das sofort, unmittelbar wird die Strafe vollzogen, also, verhaltet Euch ruhig und macht alles, was wir von Euch verlangen.“
Als die ersten Peitschenhiebe laut knallten und von den dicken Wänden zurück schallten, zuckte ich zusammen. Sie peitschten den armen Kerl mit drei Mann aus. Es war wie ein eingespieltes Team. Immer wenn einer seine mehrschwänzige Peitsche zurück zog, schlug der nächste zu. Nach einigen Minuten ging der kleine Mann in die Knie und hielt sich schützend seine Arme und Hände vors Gesicht und drehte sich mit dem Gesicht zur Wand.
Sein Rücken zeigte schon diverse blutige Striemen aber sie machten weiter.
Immer wieder knallten die ledernen Zungen auf den geschundenen Leib des Mannes und sie machten keine Anstalten aufzuhören. Seine Schreie gingen ins Schluchzen über und dann stöhnte er nur noch.
Ein Mann neben mir flüsterte:
„Diese Schweine werden ihn noch umbringen, wie Tiere sind wir für sie, ich kann das nicht mehr ertragen.“
„Sei still“, sagte ich.
Der Oberaufseher drehte sich zu uns um und schrie dann:
„Hat hier irgendjemand was zu sagen?“ Er kam auf mich zu und starrte mir mit düsterem Blick in die Augen.
„Hast Du Made was zu sagen?, dann sag es mir ins Gesicht. Gefällt Dir unsere kleine Show nicht?“
Ich schwieg und blickte stur geradeaus.
„Erst bist Du am plappern und jetzt stumm wie ein Fisch, was?“
Er griff mir mit hartem Griff in die Haare und riss meinen Kopf nach hinten.
„Ich erwarte völligen Gehorsam und Disziplin, wenn Ihr Schweine das noch nicht kapiert habt, solltet Ihr es schnell lernen, sonst kann ich ziemlich ungemütlich werden!“
Noch ungemütlicher?, dachte ich – sagte aber keinen Ton.
Er ließ mich wieder los und ging dann zu dem Peitschenszenario in die Ecke.
Noch immer knallten die Peitschen unaufhörlich auf den wehrlosen Körper des Mannes nieder und aus der blutigen Masse, die mal sein Rücken war spritzte das Blut bis an die Wände. Er lag leblos vor ihnen.
Der Oberaufseher sagte nur kurz: “Halt!“
Die drei Männer hörten sofort auf und traten einen Schritt zurück.
Er kniete sich zu dem blutenden Körper hinab und fasste, wie kurz vorher bei mir in die Haare und hob den Kopf einen Zentimeter vom Boden.
„Wolltest mir wohl nicht glauben, als ich das mit dem säubern sagte, hä?
Aber keine Angst, dass wird Dir nicht wieder passieren.“
Mit diesen Worten schnellte seine linke Hand hervor und er brach dem Mann mit einem kurzen Dreh das Genick. Dann stand er auf und wischte sich seine mit dem Blut des Toten in Berührung gekommenen Finger an einem Tuch ab, das er sich aus der hinteren Tasche gezogen hatte.
„Ich hoffe, diese kleine Demonstration hat Euch bewusst gemacht, wie das hier läuft bei uns. Ich wiederhole mich nur ungern, aber wir haben genug Ersatz für Euch parat. Ihr seid nur die Alarmreserve.“
Voller Hass starrte ich ihn einen Moment lang an, bis er zu mir blickte, dann sah ich wieder zu Boden. Entweder hatte er es nicht gesehen oder er ignorierte es einfach. Als wir den Befehl erhielten, weiter in die angrenzenden Räume zu gehen, folgten alle zügig und ohne murren den Anweisungen der Aufseher. Wir betraten einen Irrgarten von Gängen und Räumen in den unterirdischen Katakomben. Dann mündete unser Weg in einer sehr großen Halle, die hell erleuchtet war und in der dutzende von weißgekleideten Leuten herum liefen. Die Wände waren mit metallisch aussehenden Platten ausgeschlagen und wirkten bedrohlich. Inmitten der Halle waren diverse mit Vorhängen versehene Kabinen, deren Sinn wir bald erfahren sollten. Die Aufseher befahlen uns stehen zu bleiben und dann teilten sie uns in Gruppen ein, jeweils vier Mann wurden zu einem der an langen Tischen sitzenden Männer geführt. Die ganze Einrichtung mit ihren Instrumenten und Maschinen wie auch die Kittelmänner sahen steril aus. Wohl eine ärztliche Abteilung für die Voruntersuchungen. Der weißgekleidete Mann hinter dem Tisch gab dann die Daten, die er einem abfragte, in eine Konsole ein und ein Bildschirm von uns weggedreht, zeigte ihm die Ergebnisse.
„Name? Alter? Herkunft? Intelligenzquotient? Irgendwelche bekannten oder vermuteten Krankheiten? Allergien oder Geschlechtskrankheiten? Herzrhythmusstörungen? Magenprobleme? Aids oder Krebsleiden bekannt?
Überdurchschnittliche mentale Fähigkeiten?“
So zog sich die Frageprozedur eine Weile hin und einige meiner Leidensgenossen wurden weggeführt. Wohin weiß ich nicht, ich sah sie nicht wieder. Wahrscheinlich hatten sie Betreff ihrer Krankheiten gelogen. Dann kamen wir einzeln in die schon gesehenen Kabinen, in denen jeweils ein Arzt saß und uns erwartete. Ich musste mich entkleiden und wurde dann gründlich untersucht. Spätestens jetzt war es nicht mehr möglich irgend etwas vor diesen Leuten zu verheimlichen Das Innerste wurde nach außen gekehrt und zurück. Nach zwei Stunden fühlte ich mich wie durch einen Fleischwolf gedreht. Ich fragte mich nur, warum sie sich solche Mühe mit unserer Gesundheit machten?
Der Aufwand nur um durch einen mit Todesfallen gespickten Parcours zu laufen um dann wahrscheinlich, letztendlich doch zu sterben? Vielleicht wollten sie auch nur die Spiele interessanter machen und die besten, gesündesten Exemplare ums Überleben kämpfen lassen.
Ich wurde immer gespannter auf das kommende Szenario und wäre am liebsten auf der Stelle in die Arena getreten. Doch ich musste mich noch eine Weile gedulden, außerdem hatte ich immer noch keine hundertprozentige Sicherheit, überhaupt Teil zu nehmen. Es konnte noch einiges passieren, bevor ich dran war. Nach drei Stunden wurden wir wieder an einem Sammelplatz zusammen getrieben und mussten warten, bis die letzten heraus kamen. Man führte uns weiter in einen finsteren Saal, wo Tische und Bänke aneinander gereiht auf uns warteten. Niemand tat mehr als die Aufseher uns vorgaben. Obwohl unsere Mägen knurrten und die Speisen in den hölzernen Schüsseln uns verführerisch ansahen und vor sich her dampften. Erst als wir den Befehl dazu bekamen setzten wir uns an die Tische und durften anfangen zu essen. Wir bekamen dafür fünfzehn Minuten Zeit. Das reichte aber völlig, da niemand, mich eingeschlossen, sich an irgendwelche vornehmen Tischsitten hielt und sich auf den Teller schaufelte, was nur ging. Die Zeit in den stinkenden Zellen hatte alle verrohen lassen. Als die Zeit um war hatte jedenfalls niemand mehr von uns einen hungrigen Gesichtsausdruck. Dann ging es weiter zu den Trainern, wie ich später erfuhr. Wir waren zwar nur die Reserve für die „111“ Hauptspieler sein, aber uns dennoch wehren. Sie sollten uns beibringen, wenigstens die ersten Runden zu überleben, nicht gleich vor Angst davon zu laufen und zu sterben ohne einen kleinen Kampf ausgetragen zu haben. Dafür war wohl der Aufwand zu groß, den sie mit uns betrieben. Wieder wurden wir in Gruppen, diesmal zu sechst aufgeteilt, unser Trainer sah ziemlich furchteinflößend aus. Eine Mischung aus Neandertaler und Ringerkoloss stand uns gegenüber und grunzte mehr als richtig zu sprechen.
„Abschaum“, grunzte er.
„Abschaum, hört mir zu. Die erste Übung ist für die Schnelligkeit gedacht.
Ihr werdet, sobald Ihr das erste Tor passiert habt, ständig gejagt und angegriffen. Teilweise wird Euch nur die Schnelligkeit retten können.
Geht dahin und stellt Euch auf. Immer einer nach dem anderen. Wir haben für Euch ein Tier ausgesucht, welches harmlos ist, aber ziemlich flink und schwer zu fangen. Eine Art Wiesel, es ist glitschig und reaktionsschnell. Jeder kommt einmal dran und hat fünf Minuten Zeit, dann sehen wir, wie schnell Ihr wirklich seid! Los, fangt an.“
Der erste von uns trat in den niedrigen Raum mit hölzernen Wänden, ca. drei mal drei Meter im Durchmesser. Nur eine kleine Luke am Ende der hinteren Wand verriet, das dies kein normaler Raum war, überall auf dem Boden war Stroh ausgelegt. Der Mann ging ein paar Schritte hinein, die Tür schloß sich sofort hinter ihm und er blieb in gespannter Pose stehen. Die kleine Luke ging kurz auf und dann war das Vieh auch schon herein geflutscht und begann durch die Beine des Mannes zu huschen. Dieser konnte nur noch hinterher schauen, geschweige denn zugreifen. Er wollte das Wesen in eine Ecke drängen und dann darauf springen.
Doch das Wiesel schien sein Vorhaben zu erahnen, denn es lief wieder davon. Jedes Mal, wenn der Mann hinterher sprang, prallte er gegen die hölzernen Wände und ein lauter Knall ertönte. Nach dem zehnten oder fünfzehnten Mal kam er nur noch mühsam auf die Beine und schien fast zu resignieren. Das Wiesel kam ihm näher und es sah so aus als wenn es auch müder geworden war, aber der Schein trog. Wieder sprang der Mann hinterher, diesmal kriegte er den Schwanz zu fassen, doch er rutschte ihm aus den Fingern. Eine grelle Sirene ertönte. Die fünf Minuten waren vorbei. Ich war der nächste.

Ein undefinierbarer Geruch hing in der Luft, als Leutnant Tasco die Spielerkabinen der Frauen betrat. Der Raum war nicht sehr groß und an den Wänden hingen die monoton in grau gehaltenen, alle gleich aussehenden Spinde der Spielerinnen. Es war niemand da und so trat Tasco an einen halb offen stehenden Spind heran und sah hinein.
Keine besonderen Schminkutensilien oder außergewöhnliche Unterwäsche konnte er entdecken. Nur jede Menge von Abdeckcremes und eine kleine Flasche mit Kontaktlinsenenflüssigkeit. An der Türinnenseite klebte ein Foto mit zwei Leuten darauf.
Eine Frau um die fünfzig und ein kleines Mädchen an ihrer Seite. Sie standen vor einem netten, kleinen Haus. Nur die Mülldeponie dahinter störte etwas die Idylle. Noch ganz vertieft von dem Bild bemerkte er nicht, wie jemand in den Raum kam.
„Leutnant, stehen Sie etwa auf Frauenunterwäsche? Ich wußte ja nicht-
Ich könnte da etwas arrangieren, wenn Sie möchten!“
Eine hübsche Frau mit streng nach hinten zu einem Dutt geknüpften schwarzem Haar stand vor ihm und ihr schwarzes Lederkostüm verlieh ihr eine böse Aura. Die Worte, die sie ausgesprochen hatte, waren in einem sarkastischem Ton und ihre dunkel geschminkten Augen taten ihr übriges. Sie gehörte zu dem kleinen Kreis von verantwortlichen Spielerbetreuern und hatte großen Einfluß beim Oberkommando. Man sagte, sie hätte sich durch einige Ebenen durchgeschlafen. Bei ihrem guten Aussehen, war man geneigt, daran zu glauben.
Tasco fühlte sich ertappt und drehte sich hastig um.
„Ms. Calveres, ich habe Sie nicht gehört. Eigentlich habe ich eine der Spielerinnen gesucht, doch es war niemand da.“
Calveres trat ein paar galante Schritte auf Tasco zu und spielte dann mit dem Aufschlagkragen seiner Uniformjacke.
„Leutnant, wussten Sie denn nicht, daß um diese Uhrzeit niemand hier ist?
Die Spielerinnen sind in einer Besprechung mit Vertretern der Spielerkommission und kommen erst in einer Stunde zurück.
Wir beide sind ganz allein hier unten und haben viel Zeit!“
Der Abstand wurde kleiner und ihre Augen strahlten wie ein Sternenmeer.
Ihre Lippen näherten sich seinen und er roch ein dezentes Parfüm, welches anfing seine Sinne zu vernebeln. Nur mit Mühe konnte er sich aus der sanften Umklammerung lösen und seine Stimme hörte sich brüchig an, als er sprach.
„Ms. Calveres, ich bitte Sie, ich weiß nicht was Sie vorhaben, aber können wir bitte dienstlich bleiben?“
Sie wich zurück und ihre sanften Augen blickten wieder kalt.
„Na gut, Leutnant. Dann möchte ich gerne wissen, was Sie wirklich hier unten verloren haben? Der Zutritt zu den Spielerbereichen ist jedem Unbefugten verboten und ich weiß, daß Sie keine Befugnis haben.“
Leutnant Tasco fing sich wieder und versuchte mit fester Stimme zu sprechen.
„Ich bin Ihnen keine Rechenschaft über meinen Auftrag schuldig und werde bestimmt nicht mit Ihnen darüber diskutieren.
Entschuldigen Sie mich jetzt, ich habe noch eine weiteren Termin!“
Ohne sich umzusehen stolzierte er aus der Tür und ging schnellen Schrittes zu den Fahrstühlen. Calveres sah ihm noch eine Moment hinterher und schmunzelte dann. Das bekomme ich auch noch heraus, mein lieber Leutnant, dachte sie. Sie ging zu den Spinden streichelt kurz über die verzierten Strukturen der Oberfläche, dann seufzte sie und verließ auch den Raum. Drei Etagen höher stieg ein leicht verschwitzter und ärgerlicher Leutnant aus dem Fahrstuhl und suchte sein Büro auf.
Er ging zu einem Aktenschrank und nahm eine Flasche mit Wodka heraus, schenkte sich einen doppelten ein und trank gierig.
„Verdammtes Weib, verdammtes“, zischte er in den Raum.
„Würde sie gern einmal flachlegen, aber das würde mir mehr Probleme bringen als der kleine Moment der Freude wert wäre. Irgendwann werde ich sie aber dort haben, wo sie mir ausgeliefert ist, irgendwann!“ sagte er laut, fast unbewusst, vor sich her. Dann rief er seinen Assistenten Raoul an und gab ihm Anweisungen, die obere Etage der Spielerkommission aufzusuchen und die Vorzimmerdame auszuquetschen, wann die fünf Spielerinnen wieder zu sprechen seien. Solch ein Vorfall unten in den Kabinen mit der Calveres, wollte er sich ein zweites Mal ersparen. Es dauerte eine Weile aber dann kam Raoul wieder zurück und berichtete ihm daß, was er erfahren hatte. Die fünf Frauen sollten in einer halben Stunde wieder zurück kehren und sich im Trainingsraum treffen um einige Übungen, die sie am Morgen begonnen hatten, fort zu führen. Diesmal wollte der Leutnant seinen Assistenten hinunter schicken und mit ihm eine Nachricht.
Die Spielerin mit dem Namen Loona sollte sie bekommen und sie musste darauf auch antworten. Sie war anders als die anderen, nur durfte das zu diesem Zeitpunkt noch niemand erfahren, wenn überhaupt irgendwann.
Tasco fühlte sich nicht wirklich wohl in seiner Haut und nicht das erste Mal wünschte er sich, man hätte jemanden anderen mit seiner Mission betraut. Wenn irgend etwas davon heraus kommen würde, könnte er seine militärische Laufbahn vergessen. Wenn nicht noch schlimmer, aber daran wollte er nicht mehr denken. Falls aber alles gut ginge, wäre sein Rang vorprogrammiert. Loona war perfekt ausgesucht und würde ihre Aufgabe wunderbar erfüllen. Er lehnte sich zurück und schenkte sich noch einen Wodka ein, diesmal aber mit Eis.

Als ich dran war wollte ich mich zusammen reißen und dieses Mistvieh kriegen. Doch es schien wirklich nicht leicht zu sein, dieses glitschige Ding zu erwischen. Zweimal hatte ich es schon fast erwischt, doch immer wieder rutschte es mir aus den Händen. Aber beim dritten Mal packte ich zu und hielt es fest am Kopf. Es jaulte und knurrte fast gleichzeitig, doch ich lies nicht los. Der Neandertaler nickte, sichtlich beeindruckt und deutete mir, das schlängelnde Etwas wieder frei zu lassen. Ich lies los, es rannte davon in eine Ecke des Raumes und sah mich mit seinen schwarzen Augen teilnahmslos an. Der nächste angehende Spieler war dran und ich konnte mich etwas ausruhen. Teilweise sahen mich meine Mitgefangenen mit haßerfüllten Augen oder auch bewunderten Blicken an. Ich konnte die düster schauenden verstehen. Dadurch, das ich das Wiesel erwischt hatte, würden die anderen so oder so schlecht aussehen, denn es schien den meisten unmöglich meine Tat nach zu machen. Wir waren zwar alle Gefangene und der Gunst der Aufseher und der obersten Kommission ausgeliefert, aber doch würden wir vielleicht beizeiten Gegner werden und uns sogar gegenseitig töten müssen. Nicht das ich mir Freunde machen wollte, das konnte ich sowieso vergessen, aber eventuell hätte man eine größere Chance gehabt, wenn man zusammen mit anderen die einzelnen Tore passieren musste.
Nach einer langen Zeit waren wir mit der sogenannten Schnelligkeitsübung durch und mussten uns der nächsten Aufgabe widmen.
Nun wurden wir über schwebende Balken und schaukelnde Gewichte gejagt.
Gleichgewichtssinn und Balance waren gefragt. Immer wieder mussten wir durch den Parcours laufen und nicht wenige wurden dabei verletzt.
Zwar nicht tödlich aber doch mit einigen Schrammen und Blutergüssen.
Einer brach sich den Arm und wurde sofort weggeführt. Seine Aussage, es wäre nicht weiter schlimm und er könnte weiter machen, wurde ungehört übergangen. Sie brachten ihn durch einen der umliegenden kleinen Ausgänge hinaus. Ich versuchte seine Protestschreie zu ignorieren und machte weiter. Wir wurden immer weniger und der Tag war noch
nicht vorbei.
Loona betrat die Spielerduschen, die im Nebeldampf des heißen Wassers kaum einzusehen waren. Kurz bevor sie ihre Kleider ablegte, bemerkte sie jemanden am Türrahmen stehen. Sie erkannte ihn. Es war der kleine ekelhafte Kriecher von Leutnant Tasco, ihrem Vorgesetzten.
„Was wollen Sie? Sie haben hier nichts verloren. Der Zutritt ist männlichen Besuchern nicht gestattet.“
Er grinste widerlich und reichte ihr den Zettel mit der Nachricht, dieser war schon ein wenig weich geworden durch seinen Handschweiß.
Die Spielerin entfaltete ihn und las kurz die eine Zeile darauf.
(Treffpunkt: Schw. Aqkt um 21.00h, k. S a! LT) Schwarzes Aquädukt,...
kommen Sie allein, LT. Wenn sie das schon las, er liebte geheimnisvolle Vorgänge und natürlich auch seine Abkürzungen. Er hatte mal einen Brief geschrieben, in dem es nur so von Abkürzungen wimmelte. Kaum ein richtiger Satz war dabei gewesen. Nur LT kann MA n. T. da Kktn. dazw. gek.s. usw. usw. Eine seiner Leidenschaften, die aber sonst niemand in seiner näheren Umgebung teilte.
Als Sondervermittler zwischen Oberkommando und Spielerkommission sowie der Spezialprojekte, meinte er wohl, ein bisschen Geheimniskrämerei wäre immer angebracht. Er sollte sein Treffen bekommen, obwohl sie es nicht für besonders klug hielt, sich im dunklen mit ihrem geheimnisvollen Chef zu treffen.
Jemand könnte sie beide zufällig beobachten und seine Schlüsse daraus ziehen. Eigentlich, dachte sie, war doch alles klar und ihre Anweisungen würde sie gewissenhaft ausführen. Daran bestand kein Zweifel. Lieber hätte sie direkt mit General Mustos gesprochen, doch dieser hielt sich bei allen Angelegenheiten immer etwas im Hintergrund. Sie würde sich mit Leutnant Tasco treffen, auch wenn sie damit riskierte, von jemanden beobachtet zu werden. Die Wände hatten Ohren und die Feinde des Oberkommandos waren überall, wenn auch mehr im Untergrund, so durfte man sie nicht unterschätzen. Das hatte man ihr von Anfang an eingeschärft.
Sie nickte dem Assistenten zu und schloss dann die Tür.
Sie zog sich aus und ging duschen. Alles sollte so normal wie möglich aussehen. Stunden später trafen sich zwei Gestalten zwischen verfallenen Ruinen und beide konnten nicht vermeiden, hin und wieder Wassertropfen abzubekommen, die von den an der Decke hängenden Stalaktiten herab tropften. Tasco trug einen schwarzen langen Mantel und sah um die Augen müde aus. Er lehnte sich gegen einen zerbrochenen Granitblock und sah sich vorsichtig in dem Gewölbe um. Die ihm gegenüber stehende, hoch gewachsene Gestalt sah dagegen frisch und agil aus. Loona trug einen dunkelblauen elastischen Kombi, den die Spielerfrauen in ihrer noch verbliebenen Freizeit tragen durften.
„Loona, ich freue mich, dass Sie meinem Ruf gefolgt sind. Ich muss Ihnen noch ein wichtiges Detail mitteilen, und konnte dies nicht schriftlich oder über Visophon tun – zu gefährlich. Das Projekt darf auf keinen Fall durch ein Missgeschick oder einer Abhörwanze gefährdet werden.“
„Trotzdem sehe ich auch in diesem Treffen eine Gefährdung. Doch ich werde Sie nicht kritisieren, das steht mir nicht zu!“
„Wir haben nicht viel Zeit, deshalb komme ich gleich auf den Punkt.“
Ich habe unbestätigte Informationen über einen eingeschleusten Spion von den Partisanen des Untergrundes. Er soll Sie entlarven. Nicht das dies schon schlimm genug wäre, es soll sich dabei auch um so jemanden wie Sie handeln.“
„Aber wie sollen diese Leute denn so eine Technologie besitzen können, ihnen fehlen doch die finanziellen wie auch technischen Mittel.“
„Das kann ich Ihnen auch nicht sagen, auf jeden Fall sollten Sie die Augen aufhalten und mit allem rechnen. Sie sind nicht mehr allein unter Wölfen!
Das Projekt Morpheus ist gefährdet.“
„Danke für die Informationen, falls Sie sonst nichts mehr haben, werde ich zurück gehen.“
„Seien Sie vorsichtig Loona, viel Glück und alle Macht dem Oberkommando!“
„Alle Macht dem Oberkommando!“
Sie dreht sich um und verschwand rasch mit ein paar Schlenkern zwischen den Schatten der Felsbrocken. Als Leutnant Tasco wieder zu den nach oben führenden Fahrstühlen eilte, bemerkte er nicht den Schatten, der ihm schon die ganze Zeit verfolgt und das Gespräch belauscht hatte. Als sich die Lifttüren schlossen, war auch der Schatten verschwunden. Er hatte fürs erste genug erfahren. Leutnant Tasco wäre nicht so mit sich zufrieden gewesen, wenn er gewußt hätte, welche Konsequenzen sein Treffen nach sich zog. 
Am Abend durften wir endlich in unsere Schlafunterkunft und ich war wie auch die anderen, gelinde gesagt ziemlich kaputt und fertig. Im ganzen waren wir nur noch 55 Mann. Bevor wir uns aber auf die einzelnen Pritschen in dem Gewölbe fallen lassen konnten, mussten wir erst noch die Nummerierung aushalten. Jede Pritsche hatte eine Nummer seitlich aufgemalt und wir wurden diesen Nummern zugeteilt und sollten uns diese genau merken, da wir von da an nur noch als Nummer aufgerufen würden. Es galt kein Name mehr, nur noch diese Nummer. Ich bekam die 329. Auf einmal gab es keinen Burt Wingman mehr, nur noch die „329“.
Mein linker Bettnachbar mit der Nr. 317 war ein junger Mann von höchstens 20 Jahren, der mit seinem blonden Haar und dem was einmal ein Bart werden sollte, ziemlich unschuldig aussah. Der rechts von mir mit der „305“ war älter und hatte ein südländischen Aussehen. Ein Gespräch mit ihnen war nicht möglich, da beide noch vor mir einschliefen. Die Lichter wurden gelöscht und ich fiel auch in einen kurzen aber tiefen Schlaf.
Nach vier Stunden erstrahlten die großen Scheinwerfer wieder und die Aufseher standen vor uns.
„Raus aus den Federn, Ihr faules Gesindel. Ihr habt fünf Minuten Zeit dort hinten im Waschraum, dann seid Ihr wieder versammelt vor mir. Zack, zack, beeilt Euch!“
Wir rannten barfuss los und durch den eiskalten Steinfußboden war ich sofort wach. Es gab nur Wasser und Seife, sonst musste man sehen, wie man sich reinigte. Ich hätte mir gerne die Zähne geputzt, aber das war wohl ein Wunschtraum. Die Zeit ging schnell herum und schon standen wir wieder in Reih und Glied vor unseren Peinigern. Dann ging es zum Waffentraining.
Die nächsten Tage vergingen schnell aber meine Kontakte zu meinen Mitgefangenen wurden nicht besser. Die meisten waren sehr verschlossen und es ließ sich kein kameradschaftliches Verhältnis aufbauen. So war ich also doch auf mich allein gestellt. Der Tag der Spiele näherte sich unaufhaltsam und ich konnte nur versuchen mich so gut wie möglich darauf vorzubereiten. Es lagen nun nur noch neun Tage vor uns.
General Mustos berief noch eine letzte Besprechung ein und holte sich seine engsten Vertrauten zusammen. Darunter war natürlich auch Leutnant Tasco und Major Rand, sowie die Spielerbetreuer und eine davon war Ms. Calveres, die in ihrem hautengen roten Elastikanzug mal wieder die Blicke auf sich zog. Die sechs anwesenden Personen besprachen noch die letzten Details und Vorbereitungen. Der General versuchte alles so kurz wie möglich zu halten und keine längere Diskussionen aufkommen zu lassen. Als alles gesagt war, und alle sich von ihren Stühlen erhoben, gab er Leutnant Tasco ein Zeichen und dieser blieb als einziger noch im Raum, während die anderen zügig zu ihren Stationen zurück gingen.
Der General verschloss die Tür und setzte sich wieder an den Tisch.
„Leutnant, wir beide haben noch ein paar Dinge zu bereden, setzten Sie sich.“
„Danke, Sir.“
„Leutnant, haben Sie unseren Agenten informiert über die Gefahren von den Untergrundgegnern?“
„Ja Sir, ich denke, Sie weiß was von ihrem bzw. unserem Erfolg oder Misserfolg abhängt. Sie kann eigenständig denken und handeln. Sie wird aufpassen.“
„Ich weiß nicht, ob das ausreichen wird. Wenn die Gegenseite auch so ein gutes Modell einsetzt, kann die ganze Sache eskalieren und wir sind geliefert. Das Oberkommando würde uns fallen lassen wie nichts.
Man würde uns nicht mal mehr anhören. Obwohl alles von oben inszeniert ist, würde man alles leugnen und uns den schwarzen Joker zuschieben. Das ist Ihnen doch klar oder? Wir haben Jahre gebraucht um diesen fast perfekten menschlichen Androiden zu fertigen.
Die Allgemeinheit glaubt noch immer, daß wir technisch noch nicht soweit sind. Bis jetzt haben wir immer einen menschlichen Agenten ins Ziel geführt und alle glaubten an die Geschichte mit dem Lunaticket in die Freiheit.
Doch schon einige Male war es mehr als knapp und der Agent kroch geradezu nur noch über die Ziellinie. Unser Androidenmodell, extra als Frau konzipiert, damit es nicht zu auffällig ist, sollte alle Unsicherheiten und Risiken ausschalten. Aber nun haben wir Konkurrenz bekommen. Fragen Sie mich nicht, wie der Untergrund das bewerkstelligt hat. Oder es ist nur eine Falle? Ein eingestreutes Gerücht?, vielleicht. Wer weiß? Machen Sie sich Gedanken, wie wir den anderen, falls überhaupt vorhanden, entlarven können. Das Oberkommando erwartet unter allen Umständen, das unser Agent gewinnt. Wie, ist denen fast egal, aber wenn heraus kommt, das unser Mann bzw. Frau ein Android ist, werden die Zuschauer das Interesse verlieren, weil ein künstliches Wesen dem Menschen immer überlegen ist. Auf dem Kampf und Spielgebiet natürlich bezogen. Der Reiz würde verschwinden und damit die ganze Maschinerie, wenn Sie verstehen, was ich meine? So oder so ob unser Agent verliert oder entlarvt wird, sind wir alle nur noch tote Materie, unsere ganze Spielkommission. Stellen Sie sich vor, der Untergrundandroid gewinnt, was dann?“
„Herr General, wir haben die Möglichkeit, vor Beginn der Spiele alle Teilnehmer zu scannen. Dann müsste man doch den falschen heraus finden.“
„Dann wird es schon zu spät sein, es müsste früher geschehen!“
„Aber wir haben nur im Sammelbereich vor dem ersten Tor einen installierten Scanner in den Wänden.“
„Dann besorgen sie einen mobilen, tragbaren. Das wird doch wohl möglich sein, oder?“
„Das schon Herr General, aber wir verfügen z.Zt. nur über zwei einigermaßen verläßliche, tragbare Geräte. Es würde eine Weile dauern, außerdem wäre dann der Gegner gewarnt!“
„Das ist mir egal, veranlassen Sie sofort die nötigen Schritte. Wir sprechen uns spätestens in zwei Tagen wieder. Berichten Sie mir dann!“
„Wie Sie wünschen, obwohl ich bezweifle, daß wir es in der kurzen Zeit  schaffen, alle zu prüfen.“
„Ich befehle es Leutnant, enttäuschen Sie mich nicht. Fangen Sie, sobald Sie aus dieser Tür treten damit an!“
„Sehr wohl, Herr General!“
Beide standen auf und verließen zügig den Raum.

Die Zeit ging schnell herum. In drei Tagen sollte es nun endlich losgehen, aber die Stimmung unter uns noch verbliebenen 48 Teilnehmern war am Boden, da wir erfahren hatten, das wir nur als dritte Welle vorgesehen waren. Die „111“ Hauptspieler sollten beginnen und da erfahrungsgemäß, wie uns gesagt wurde, gleich zu Anfang eine Menge Ausfälle passierten, kam dann die zweite Welle hinterher geschoben um nicht zu große Lücken entstehen zu lassen. Doch die dritte Welle wurde wohl selten aktiviert, da zwar die Spieleranzahl eingehalten werden musste, aber nur bis zum vierten Tor. Dann blieb nur der Rest über und einer von diesen Kandidaten würde es schaffen. Nur in dem ziemlich seltenen Fall, dass vor dem zweiten Tor ein drittel der Teilnehmer weiter kämpfte, würden wir dazu geschickt. Meine Hoffnungen schwanden dahin und ich konnte nur beten. Da sich keine Kameradschaft gebildet hatte, geschweige denn Freundschaften, war ich sowieso allein mit meinen dunklen Gedanken und konnte mich nicht mitteilen. Jeder war sich selbst der nächste. Vor einer Woche kam eine Delegation aus den oberen Abteilungen und scannte jeden von uns gründlich, aber sie waren enttäuscht wieder abgezogen, ohne Kommentar.  Man konnte es ihren Gesichtern ansehen, was sie wohl gesucht hatten? Versteckte Waffen oder künstliche Organe? Wer konnte das schon sagen? Uns sagte man sowieso nicht viel. So eine Abwechslung in dem tristen Drill war immer willkommen. Unsere Aufseher waren wohl einigermaßen zufrieden mit uns und sagten unserer Gruppe am übernächsten Tag eine Ruhepause zu. Wir sollten noch einmal gut zu essen bekommen und uns dann einfach nur ausruhen. Henkersmahlzeit und warten auf den Tod, so sah ich es. Wie nahmen es ruhig ohne große Gefühlsregungen hin und akzeptierten es einfach. Mehr konnten wir eh nicht machen. Die meisten von uns waren schon ziemlich abgestumpft, was wahrscheinlich auch der Wunsch unserer Peiniger war. Sie hatten ihr Ziel erreicht und ehemalige Individuen zu einer kämpfenden Horde von hassenden Wesen verwandelt. Nun konnten wir den uns bevorstehenden Gefahren entgegen treten und für die Belustigung der Massen sterben. Nur nicht zulange nachdenken, das wurde zu meiner Devise. Falls ich das Glück hatte, dabei zu sein, würde ich mein Bestes geben und entweder sterben oder siegen. Das einzige, was mich noch die Qualen ertragen ließ. Ich nahm meine drei Speere wieder auf und warf erneut auf die Strohscheibe, die mein Ziel war.   

Zu seinem Bedauern musste Tasco dem General die schlechte Nachricht persönlich mitteilen, niemanden entdeckt zu haben, der auch nur annähernd dem feindlichen Spion nahe gekommen wäre. Der General war zornig, doch konnte er nichts machen und musste bis zu den Spielen abwarten.
Im rosafarbenen Büro von Cora Calveres saß ein rothaariger Mann in alten Kleidern und blickte auf den gelben, großen Ledersessel hinter dem Schreibtisch. Der Sessel war noch leer aber der Mann schien wie gebannt darauf zu starren. Auch als Calveres herein kam und sich geschmeidig in den gelben Sessel gleiten ließ, zeigten seine Augen keine Regung.
„Joker, sieh mich an“, sagte sie.
Die Augen zuckten kurz und schauten dann in die eisblauen Augen von Calveres. Der Namen „Joker“ stammte von ihr und sie fand ihn irgendwie treffen, da er ja für den Erfolg oder Mißerfolg von Bedeutung war.
„Dein Name war früher, Kolzcheski. Albert Kolzcheski, Spitzname Peevie, richtig?“
Der Mann nickte kurz.
„Hör zu, Du weißt um die Wichtigkeit unseres Einsatzes und das allein von Dir alles abhängt, oder?“
Wieder nickte er.
„Ich möchte, daß Du jede Frage auch mündlich beantwortest, OK?“
„Ja, Kommandant!“
„Sag nicht Kommandant, sondern von mir aus, Ms. Calveres.“
„Verstanden, Ms. Calveres.“
„Du musst Dich völlig normal, also ganz menschlich verhalten, damit niemand Verdacht schöpft, kapiert?“
„Ja.“
„Auch wenn unvorhergesehene Dinge passieren, Du vielleicht alte Freunde wieder triffst, oder jemand Dich um Hilfe bittet, bei den Kämpfen. Du sollst niemanden beschützen oder vor dem Tod bewahren, aber so tun.
Kapierst Du das?“
„Ich denke schon.“
„Gut Joker, wenn Dich jemand nach Deinen Namen fragen sollte, bist Du wieder Peevie, oder von mir aus auch Kolzcheski, verstanden?“
„Ja.“
Ich werde Dich gleich nach unten zu den Spielerunterkünften bringen und einem Aufseher übergeben. Der Mann ist auch für uns tätig.
Er wird Dich bis kurz vor den Spielen verstecken und bei Beginn holen und in die richtige Reihe stellen.“
Calveres zog eine kleine Fernbedienung aus der Tasche und hielt sie vor ihrem Gegenüber in die Höhe.
        „Falls Du versagst, ist diese Fernbedienung unsere kleine Versicherung.
Ein Knopfdruck und Dein Schädel fliegt in tausend kleine Teile, hast Du das auch kapiert?“
„Jawohl, Ms. Calveres.“
„Gut, ist auch besser für Dich! Komm mit, wir gehen runter, unter die Erde.“
Sie stand auf und der früher Peevie heißende Sklave, folgte ihr hinterher.

Zweiundvierzig Stunden vor den großen Spielen, bemerkte Leutnant Tasco, daß er verfolgt wurde und ging hastig in Richtung seiner Unterkunft.
Kurz bevor er sie erreichte, öffnete sich eine Tür auf dem Gang und er wurde von zwei kräftigen Händen in einen Raum gezogen. Noch ehe er die Situation begreifen konnte, wurde er bewußtlos. Als er wieder erwachte, saß er mit den Händen auf dem Rücken gefesselt auf einem harten Schemel. Eine grelles Licht blendete ihn von vorn. Eine Gestalt befand sich hinter der Lampe, aber sie war nur an den Umrissen als solche zu erkennen.
„Wo bin ich? Wie komme ich hierher und wer sind Sie?“
Eine tiefe Stimme entgegnete:
„Ich stelle hier die Fragen, verstanden?“
„Aber wieso, was soll das? Ich verstehe nicht...!
Was wollen Sie denn, ich bin nicht wichtig, wollen Sie Geld?“
„Halt die Klappe, wir warten noch auf jemanden, dann kann es losgehen.“
„Losgehen, was denn?“
Ihm wurde nicht geantwortet.
Nach einer Weile öffnete sich eine Tür und eine weitere Gestalt kam herein.
Doch durch die Blendung des Lichts konnte Tasco diese aber auch nicht erkennen.
„Du hast ihn erwischt, gut gemacht.“
Dem Leutnant war die neue Stimme irgendwie bekannt, konnte sie aber nicht gleich zuordnen.
Die erste Stimme begann wieder.
„Leutnant, Sie sind doch unter anderem für Spezialprojekte zuständig, oder?“
„Ich weiß nicht, was Sie meinen.“
„Ach nein, wissen Sie nicht? Ich glaube schon, aber wenn Sie nicht mit uns kooperieren wollen, können wir auch anders.“
„Sind Sie vom Untergrund?“
„Er kapiert schnell, was, Greeko?“
„Hören Sie, wir können doch eine Übereinkunft treffen und ich werde Sie bestimmt nicht übers Ohr hauen. Lassen Sie mich wieder frei und dann können wir über eine Menge Geld reden.“
Der Leutnant hatte Angst, wirkliche Angst. Er war kein mutiger Mann und sonst hatte er immer einige starke Leute an seiner Seite.
Nur diesmal hatte er seine ständigen Leibwachen schon früher weg geschickt. Warum wußte er eigentlich auch nicht. Er hielt es wohl nicht für Nötig, da er in letzter Zeit nie Ärger irgendwelcher Art hatte und noch befürchtete. Normalerweise hätte sich kein klar denkender Mensch an ihn heran getraut. Doch diese Leute schienen anders zu sein. Sie hatten keinerlei Respekt und wohl auch kein Benehmen. Die zweite Stimme sprach wieder, diesmal aber etwas energischer.
„Wir wollen Dein Scheiß Geld nicht, hast Du das immer noch nicht kapiert.
Nenn uns den Namen von Eurem Agenten, dem Nichtmenschen, Euren Favoriten im Spiel, na los!“
Darum ging es ihnen also, dachte er.
Niemals durfte er die Identität verraten, aber er war ein schwacher Mensch.
Wenn sie ihn bloß nicht foltern würden. Als wenn sein Gegenüber seine Gedanken erraten hatte, kam er gleich auf den Punkt.
„Wenn Du uns nicht den Namen verrätst, werden wir das auf eine andere Weise regeln. Kennst Du 49NR?“
„Nein, was ist das?“
„Ein neues, noch nicht ganz ausgereiftes Wahrheitsserum, das hin und wieder mal ein paar Nebenwirkungen haben kann.“
„Was für Nebenwirkungen?“
„Es gab nach der Verabreichung schon mal Hautausschlag, Nasenbluten, leichte bis schwere Krämpfe und ein, zweimal auch epileptische Anfälle, die zum Tod führten, aber sonst ist das Zeug schon OK.“
„Das wagen Sie nicht, wissen denn nicht wer ich bin?“
„Na klar, deshalb sitzt Du ja auch hier vor uns. Was ist also jetzt? Willst Du uns alles sagen oder nicht?“
„Mein Name ist Greg Tasco, Ident.Nr: 237-0921, Rang: Leutnant.“
„Also gut, Du willst also den starken Mann spielen, was? Du wirst schon reden, früher oder später. Das Zeug wirkt nach Verabreichung in spätestens einer halben Stunde. Ich wünsche viel Spaß!“
Die zweite Gestalt kam aus dem dunklen heraus und riß seinen linken Ärmel nach oben. Die Spritze drang kurz darauf in seinen Oberarm ein.
Und nun konnte er auch die Gestalt erkennen. Es war Calveres, oh mein Gott, dachte Tasco. Die Calveres gehörte also auch zum Untergrund.
Sie grinste ihn dämonisch an während sie die Nadel wieder heraus zog. Zehn Sekunden später fiel er in ein schwarzes Loch.
In seinem Traum weigerte er sich standhaft und sie bekamen nichts aus ihm heraus. Nach Stunden gaben sie auf und er triumphierte.
Doch in Wirklichkeit sagte er ihnen alles was sie wissen wollten und noch mehr. Er hätte ihnen auch noch dankbar seine Kontonummern und die Unterwäschegröße seiner zwei Frauen genannt. Doch die Informationen waren den Leuten vom Untergrund egal und für sie völlig irrelevant.
Leutnant Tasco hatte ausgedient, ihnen ein fast identisches Porträt von Loona gezeichnet und alles erzählt was er darüber wußte. Jetzt war er nutzlos geworden und wurde beseitigt. Seine steile, militärische Karriere nahm ein vorzeitiges Ende.

Es waren nur noch 32 Stunden bis die Spiele beginnen sollten und alle waren in höchster Aufregung und die letzten Vorbereitungen liefen in vollem Gange. Das Verschwinden von Leutnant Tasco wurde zwar registriert und teilweise mit Besorgnis zur Kenntnis genommen, doch niemand unternahm einen ernsthaften Versuch das Verschwinden zu untersuchen oder aufzuklären. Diese wurde bis nach den Spielen verschoben. Der General hatte, obwohl er über genug Untergebene verfügte, alle Hände voll zu tun.
Diese Mal sollte wirklich alles reibungslos klappen und der einzige dunkle Punkt in dem Rechenschema war der Spion der Untergrundorganisation.
Da Tasco verschwunden war, der General rechnete mit dem schlimmsten, war die Hauptlast für das Gelingen wieder allein auf ihn zurück gefallen.

Zwar war er sowieso der führende Kopf, doch für ein eventuelles Misslingen der ganzen Angelegenheit wäre es von Vorteil gewesen noch einen Sündenbock parat zu haben, der unter den Offizieren ein gutes Opferlamm abgegeben hätte. Seine Leute wussten, was zu tun war und nun konnte man nur noch auf die rechtzeitige Entlarvung des Spions hoffen.

Wir hatten gut und reichlich gegessen und lagen alle in unserem Quartier und warteten auf den Beginn der Spiele. Wenn ich auch vorher skeptisch war, vor unserem Drill und Training, so fühlte ich mich nun so fit wie noch nie zuvor. Ich hatte eine Chance und würde sie nutzen, wenn sie mich ließen. Hauptsache, unsere Gruppe würde eingreifen müssen, sonst wäre alles umsonst gewesen. Unsere Trainer hatten uns alles gezeigt und beigebracht, was wir wissen mussten. Sie hatten sich zurück gezogen und nur noch unsere Aufseher würden uns zu den Spielergängen begleiten, die Vorkammern der Spiele. Dort würden wir warten müssen, wie immer es auch laufen sollte. Ein greller Ton ließ uns aufschrecken und von unseren Liegen hoch springen. Der Tag der Entscheidung war gekommen. Unsere Aufseher waren im Gegensatz zu uns ruhig und gelassen. Wir bekamen jeder auf den Rücken die Nummer geklebt, die wir auch an den Liegen hatten, auch wenn die Nummer davor oder dahinter nicht mehr dabei war.
Dann führten sie uns wie immer mit viel Geschrei aber ohne Hast zu den berühmten roten Gängen, in denen wir auf unseren eventuellen Einsatz warten mussten. In Zweierreihen standen wir dann in unserem Gang, der mit groben Granitblöcken ausgeschlagen war, von der Decke rieselten vereinzelte Wassertropfen auf unsere Köpfe. Egal, wie man sich auch hinstellte, man bekam immer etwas ab. Der Gang war schwach beleuchtet, doch wussten wir alle, das hinter dem vor uns liegenden kleinen Tor das Geschehen stattfand. Ohne Vorankündigung dröhnte ein sehr lauter und tiefer Ton durch die Wände und ließ einem fast das Trommelfell platzen. Fast alle hielten sich die Ohren zu, doch er war durchdringend. Nach einer Ewigkeit, wie es schien, verstummte das Geräusch zu unser aller Erleichterung.
Dann knisterten dafür die kleinen Lautsprecher, die oberhalb der Gänge überall angebracht waren. Eine klare aber monotone Stimme sprach zu uns.
„Spieler, alle die Ihr hier auf den Beginn der großen Spiele wartet, seid gegrüßt und Euch der großen Ehre bewußt, zu den „111“ Erwählten zu gehören!“
Ein Mann vor mir schnaufte kurz, aber sonst schien niemanden die Worte zu mißfallen.
„Die Anzahl der Spieler der ersten Welle ist seit Anbeginn festgelegt und wird immer beibehalten. Es werden viele Gefahren auf Euch warten und unzählige Augenpaare Euch dabei beobachten. Doch den einen, der durch die 10 Tore des Todes kommt, erwartet eine neue und bessere Zukunft. Nur der Beste wird es schaffen, vergeßt Freunde und Kameraden. Jeder nur für sich, das ist die einzige Möglichkeit, es zu schaffen. Denkt immer daran!“
Während die Stimme weiter sprach und in allen Gängen zu hören war, durchdrang ein unsichtbarer Strahl die große Vorhalle mit den „111“ Hauptspielern, doch General Mustos konnte niemanden finden, der nicht dort hinein gehörte. Vielleicht war der Spion bei der zweiten Welle oder dritten Welle dabei. Könnte er nachträglich reingeschmuggelt worden sein? Doch dies war auch nur reine Spekulation und bedurfte wieder Geduld, die er kaum noch besaß.
Seine letzte Trumpfkarte war „Morpheus“. Würde Loona den Gefahren trotzen können und den feindlichen Spion entlarven und besiegen? Er wusste es nicht, niemand konnte dies jetzt mehr steuern. Er sah auf seine drei Sterne und hoffte, sie nach den Spielen weiterhin tragen zu dürfen. Egal wie es ausging.
Calveres gab über eine Art Pieper ihrem Aufseher das Zeichen. Dieser verabreichte dem Mann namens Peevie, eine letzte Injektion. Seine Augen begannen bösartig und mörderisch zu glänzen. Seine Muskeln spannten sich an und er fühlte sich, als wenn er Berge versetzten könnte. Dann wurde er durch eine kleine Seitentür zu der zweiten Welle gebracht und geschickt eingereiht. Niemand hegte Verdacht und bemerkte es. Nun war der Joker mit der Nummer 200 im Spiel und würde bald loslegen können.
Die „111“ Hauptspieler warteten gespannt auf das öffnen des ersten Tores.
Mit den Worten: “Mögen die sechsundzwanzigsten Spiele hiermit beginnen“, endete die überall hörbare Stimme aus den Lautsprechern und es trat Ruhe ein. Die Zuschauer in den gigantisch großen Gewölben, seitlich links und rechts verteilt, standen oder saßen auf bequemen Lederbänken. Für Getränke und Speisen war genügend gesorgt und alle waren froher Laune auf die bevorstehenden Todeskämpfe. Die erste Arena hatte einen glatten Boden.
Ein scheinbar ebener Boden, der aber diverse grausame Fallen beherbergte. Die Beleuchtung war fast runtergefahren, wegen der besseren Effekte, aber immer noch so hell, daß kein Zuschauer etwas verpassen würde. Wenn die Zuschauer genug hatten von der ersten Halle, konnten sie ohne Probleme durch stählerne Türen in die zweite Halle vor und wieder zurück gehen. Bis sie am Ende in der letzten Halle vor dem zehnten Tor die letzten Kandidaten beobachten konnten. In der Regel konnten die Spiele bis zu acht Stunden dauern. Aber meistens erlangte der letzte Überlebende nach sechs Stunden das Ziel. Was die Spieler nicht wußten, war, daß die Spielekommission die einzelnen Tore nach belieben schließen konnte.
Wenn in einer Halle das Spektakel zu lange dauerte und sich die Spieler mit dem jeweiligen Gegner aufhielten, begann man einfach die Tore langsam runter fahren zu lassen und jeder, der es nicht rechtzeitig hinüber schaffte, war verloren. Oder falls zu viele Spieler noch vor den letzten Toren kämpften, machten sie es genauso. Die Verurteilen gingen davon aus, das sich die Tore immer nach einer bestimmten Zeit schlossen, doch dies war ein Irrtum. Sie waren ihren Peinigern völlig ausgeliefert. Wenn die Zuschauer murrten oder ihnen zu langweilig wurde, reagierten die Verantwortlichen sofort. Niemand sollte sich jemals bei den großen Spielen langweilen oder unzufrieden sein. Dafür war das Spektakel zu gewaltig und kostspielig. Die unheimliche Stille überall wurde plötzlich durch ein kreischendes Geräusch zerrissen. Das erste Tor ging hydraulisch langsam nach oben und die ersten Reihen der Spieler waren total konsterniert von den Ausmaßen des großen Gewölbes. Es waren keine Tiere oder Jäger zu sehen, doch konnte der Tod in Sekundenbruchteilen hervor kommen. Keiner wollte den ersten Schritt hinaus machen, doch die hintere Wand der Vorhalle bewegte sich automatisch, bis alle 111 Spieler nach draußen geschoben wurden. Es gab kein zurück mehr. Die einzigen Waffen, die sie trugen waren Holzspeere und kleine Messer, die ihnen im letzten Moment vor dem öffnen des Tores ausgehändigt wurden. Nun standen sie unsicher und voller Anspannung zusammen und es schien, als wenn niemand den Mut hatte, loszulaufen. Loona hielt sich noch zurück.
Dann fast gleichzeitig stürmten drei, vier Männer los und rannten auf das in weiter Ferne schimmernde zweite Tor zu. Eine Luke sprang auf und er erste wurde von eisernen Spitzen durchbohrt und war sofort tot. Die Spitzen fuhren wieder ein und verschwanden unter einer versteckten Klappe. Der zweite lief im Zickzack und wollte so den Fallen entkommen, doch kurz bevor er das erste Drittel erreicht hatte, fiel er in eine Grube, wo eine gigantische Spinne auf ihn wartete und sofort sabbernd ansprang. Sein Todesschrei hallte durch das Gewölbe und die Zuschauer applaudierten und jubelten. Einen Moment später flogen sein Speer und linke Hand aus dem Loch, welches sich danach wieder verschloß, als wenn nichts gewesen war.
Ein weiterer Spieler rannte auf die äußere linke Seite und hoffte wohl, dort weniger Fallen zu begegnen, doch auch dort lauerte der Tod. Mehrere kleinere Löcher öffneten sich und schlangenartige springende Wesen kamen in Mengen auf ihn zu. Er strauchelte und wäre beinah gestürzt, doch er konnte sich gerade noch zurück bewegen als er mit dem linken Fuß in ein Fangeisen geriet. Das zusammenschlagen der Eisen und das Brechen seines Knöchels war ein Vorgang. Die heran nahenden schleimigen Viecher krochen auf ihn zu und sein Versuch sie mit dem hölzernen Speer zu verscheuchen war ohne Erfolg. Als sich die erste Schlange in seinem Bein verbiß, konnte er sie noch mit seinem kleinen Messer töten, bevor die anderen dreißig Stück über ihn herfielen. Diesmal hörten die Zuschauer nur ein kurzes Gurgeln, bevor er starb. Sie waren etwas enttäuscht von seinem schnellen Tod.
Noch weitere der Spieler spurteten los obwohl sie gesehen hatten, was ihren Kameraden passiert war.
Ein Schwarm von großen Fledermäusen fiel über sie her und viele der Tiere verkrallten sich in Haare und Rücken der fliehenden Spieler.
Diejenigen die erfolgreich weiter laufen konnten, mussten sich mit den noch kommenden Waffen und Fallen herum schlagen. Aber nun waren alle am rennen und mit den Widrigkeiten der Fallen am kämpfen.
Die Spiele hatten begonnen und nach einer halben Stunde waren von den ehemals 111 Spieler noch 72 am leben. Die restlichen kämpften um ihr Leben und mussten mit immer neuen Kreaturen und automatischen Fallen fertig werden.
Die meisten drehten sich beinahe im Kreis, da sie immer wieder zurück weichen mussten und nur wenige kamen dem zweiten Tor näher. Die Zuschauer grölten und lachten aus vollem Hals. Die Spielführer warteten noch auf den richtigen Moment um die zweite Welle nachrücken zu lassen. Die übrigen 70 kamen der Mitte doch langsam näher und hielten sich wacker. Unzählige tote Kadaver lagen verstreut hinter ihnen und es schien, als wenn der Strom der Monster nie versiegen würde. Gerade als der Ansturm etwas nachließ und die Spieler einen Moment aufatmen konnten, ging an den seitlichen vier Meter hohen Stahlwänden ein Tor auf und aus dem dunklen Schlund stapfte ein Bantusaurier auf seinen zwei muskulösen Beinen heraus. Seine vier langen, messerscharfen Zähne wollten Fleisch schmecken, seine Lieblingsnahrung waren Säugetiere aller Art darunter bevorzugt Menschen. Von seiner Spezies gab es auf dem Planeten Reva4 nur noch fünf Exemplare, mit ihm sechs insgesamt. Seine Größe betrug über drei Meter fünfzig und sein Gewicht neun Tonnen. Sein langer Schwanz schlug ohne Unterlass von links nach rechts und machte ein vorbeikommen schwierig. Er brüllte einmal lautstark und stampfte dann langsam auf die verschreckten Spieler zu. Einige warfen ihre Speere ihm entgegen und wenn wirklich einer traf, hinter lies er keine nennenswerte Wunden. Ein Spieler war so geschockt, das er mit seinem Speer in der Hand stehen blieb und sich nicht bewegte. Der Saurier kam direkt auf ihn zu und biss ihn in der Mitte durch. Das Blut spritze in Fontänen quer durch die Luft und der anfangs noch stehende halbe Rumpf, fiel fast lautlos zur Seite um. Ein paar Spieler hatten sich zusammen gerottet, knieten sich hin und hielten ihre Speere am Boden abgestützt der Bestie entgegen.
Der Saurier ging ihnen noch aus dem Weg und konzentrierte sich scheinbar auf einige Einzelgänger, die die Flucht angetreten hatten und davon laufen wollten. Doch so plump wie er aussah war er nicht, so dass er sie einzeln schnell einholte und einen nach dem anderen zerriss. Loona rannte direkt auf das Monster zu und wich geschickt den Bißattacken aus.
Dann sprang sie, rollte sich geschmeidig ab und rannte dann durch die Beine der Bestie hindurch auf das zweite Tor zu. Das war nach Ansicht der Führer, der richtige Moment für die zweite Welle. Es waren nur noch 43 der 111 Spieler übrig. Als die zweite Welle aktiviert wurde, drängte sich der Mann, der einmal Peevie hieß, gleich nach vorne als wenn er es nicht abwarten konnte zu sterben. Doch bevor das erste Tor erneut aufging, wurden sie auch alle gescannt. Aber wiederum wurde der General enttäuscht. Es war kein Android darunter. Nun blieb ihm nur die Hoffnung, mit der dritten Welle, falls sie benötigt wurde, aber er glaubt schon nicht mehr daran. Während die zweite Welle auf ihren Einsatz wartete, sprangen in der ersten Halle fünf, sechs Spieler verzweifelt an den hohen Seitenwänden hoch um rauf zu klettern. Aber nicht nur die glatten Stahlplatten machten es fast unmöglich, auch einige Zuschauer, die sich über die Ränder gebeugte hatten, wollten nicht helfen, sondern verabreichten den vereinzelten Spielern, die es geschafft hatten, sich übereinander geklettert hoch zu ziehen, mit Elektroschockern einen Stoß. Diese fielen schreiend zurück auf den harten Boden und wurden kurz darauf von einem Rudel geifernder Hyänen zerrissen. Loona war noch knapp 20 Meter vom Tor entfernt, als sie in ein blitzschnell aus dem Boden fahrendes Spinnennetz rannte und sich total verhedderte. Das Netz war auf einen riesigen Rahmen gespannt, welcher sich langsam wieder senkte um in der Tiefe zu verschwinden. Loona hing wie eine Fliege gefangen darin als sie nach unten sah und ein behaartes Wesen erblickte, das sich schon auf seinen sicheren Fang freute. Sie zerrte an den stark klebenden Fäden und bekam einen Arm los. Sie befreite ihre Beine und den Rest des Körpers davon, kletterte im letzten Moment auf den oberen Balken und sprang ab. Der Rahmen verschwand im Boden. Geschickt machte sie in der Luft einen Salto und landete auf den Füßen. Die Zuschauer applaudierten wie wild und wollten mehr sehen. Loona sah zurück und blickte auf ein Chaos. Das Startertor hatte sich wieder geöffnet und die zweite Welle strömte herein. Die anderen beiden Frauen, die mit Loona heraus gekommen waren, konnte sie nicht mehr entdecken. Überall wurde gekämpft, gewonnen und verloren. Noch konnte sie niemanden ausmachen, der übermenschlich schien, aber es waren ja auch noch eine Menge Gefahren vor ihnen. Spätestens vor dem zehnten und letzten Tor würde sie es wissen.
Sie spurtete weiter und stand als erste vor dem zweiten Tor. Sie trug die Nummer 108. Die Zuschauer hatten ihren Favoriten gefunden und neue Wetten wurden abgeschlossen.
Die zweite Welle schien am Anfang gut durch zu kommen. Ob abgesprochen oder spontan lief ein Großteil der fast fünfzig Spieler nebeneinander und schien zu allem entschlossen. Doch in unregelmäßigen Abständen öffneten sich unter ihren Füßen Löcher, Feuer oder Säure schoß daraus hervor.
Die Schreie der verätzten und verbrannten Männer und der einen Frau hallten durch das gigantische Gewölbe. Selbst die Zuschauer, die schon einiges beobachtet und erlebt hatten, hielten einen Moment den Atem an, als die einst geschlossenen Reihen der Spieler brutal aufgerissen und dezimiert wurden. Die restlichen fünfzehn Spieler füllten die Lücken der ersten Welle nur auf insgesamt 53 auf. Und etliche fielen noch, bevor sie das ersehnte zweite Tor erreicht hatten. Man zählte nach dem ersten Durchgang nur noch 39 Mitspieler, die im Rennen waren. Die Schiedsrichter zögerten noch die dritte Welle bereits einzusetzen. So viele waren noch nie vor dem zweiten Tor gescheitert. Die Aktivierung der Fallen wurde nach dem Zufallsprinzip von einem Großrechner gesteuert. Waren die diesjährigen Spieler doch schlecht ausgesucht? Die Fallen zu zahlreich und unüberwindbar? Doch niemand konnte jetzt noch in den Ablauf eingreifen, außer die Tore schneller oder langsamer schließen. Als der letzte der 39 Kämpfer das Tor erschöpft erreichte, öffnete es sich und die Zuschauer raunten laut. Dem General war jetzt alles egal. Volles Risiko dachte er.
Er befahl die dritte Welle loszulassen, nachdem sie natürlich gescannt und für sauber befunden wurden. Nun lag alles bei Loona.
Als das zweite Tor ganz nach oben gefahren war, blickten die Spieler nur in eine gänzliche Schwärze. Es war nichts zu erkennen und nur langsam passierten sie die erste Markierungslinie in den nächsten Bereich. Als alle 39 durch waren, flammten tausende von Scheinwerfern mit hellem Licht auf. Das Tor hinten ihnen schloss sich augenblicklich. Im ersten Moment waren sie geblendet bevor sie sahen, was auf sie wartete ...